Nachwuchsförderung 2022

Nachwuchsfoerderung

V.l.n.r. Sebastian Lappen, Christof Müller, Richard Stange, Katharina Blanka Jäckle, Olivia Mair, Ulrich Stöckle, Adrian Deichsel / Bildquelle: Interkongress

Beitrag von Katharina Blanka Jäckle

Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie

Prospektive Studie zur Ganganalyse nach perkutaner Iliosakralgelenksverschraubung bei hinterer Beckenringsverletzung gemessen durch ComputerMyoGrafie mittels Myonardo

Verletzungen des hinteren Beckenrings erfordern häufig eine Verschraubung des Iliosakralgelenks (ISGs) (siehe Abbildung 1). Nach einem solchen Eingriff kann es zu Einschränkungen des Gangbildes der Patienten kommen. Das nachfolgend beschriebene Projekt stellt eine Methode vor, mit der Unterschiede im Gangbild von Patienten nach einer perkutanen Iliosakralgelenksverschraubung (ISG-Verschraubung) des hinteren Beckenrings im Vergleich zu gesunden Studienteilnehmern objektiv untersucht werden können.

Die Gangbilddaten werden mittels neuartiger ComputerMyoGrafie durch Myonardo, einem von der Firma Predimo GmbH entwickelten 3D-Computermodell für das humane Muskel-Skelett-System, ermittelt und analysiert. Myonardo erfasst sämtliche Bewegungsabläufe des Menschen einschließlich der Kräfte, die während einer Bewegung auf den Körper einwirken, und berechnet auch die Beanspruchung der jeweiligen Muskeln. Diese Methode bietet daher eine ausführliche intuitive Darstellung der Belastungen sowie eine übersichtliche Kurzfassung des individuellen Gangverhaltens, je nach spezifischer Anforderung. Dieses nicht-invasive Verfahren ermöglicht erstmalig einen detaillierten funktionellen Einblick in das Muskel-Skelett-System des menschlichen Körpers und kann daher bei Fragen und Aufgabenstellungen rund um die Erfassung, Optimierung und Visualisierung von Bewegungen und Muskelbeanspruchungen analytisch eingesetzt werden. Diese Studie zur Analyse von Gangbildern soll zur Gangoptimierung und damit letztlich zur Vermeidung von Fehlbelastungen bei den Patienten dienen.

Die geplante Studie umfasst eine prospektive Analyse. Eine Gruppe von ca. 15-20 Patienten, die sich einer ISG-Verschraubung unterziehen müssen, soll in einem explorativen Ansatz das Gangmuster sowie präoperativ bzw. postoperativ als auch vor und nach abgeschlossener Rehabilitation mit dem normalen Gangbild von gesunden Probanden verglichen werden. Die Ganganalysen werden mit dem X-sense motion tracking system in Kombination mit einer neuen Computermyographie-Software ("Myonardo") durchgeführt (Abbildung 2).

Das mittel- und langfristige Ziel der Studie ist die Gangkinetik von Patienten mit hinterer Beckenringverletzung objektiv zu analysieren, und entsprechend der festgestellten Veränderungen, insbesondere bezüglich der Muskulatur, möglichst individuelle physiotherapeutische Rehabilitationsansätze zu etablieren. Das Analysesystem und sein Nutzen für eine zielgerichtete therapeutische Anwendung, bei der die Wiederherstellung eines normalen Gangbildes im Vordergrund steht, sollen kritisch beurteilt werden.


Beitrag von Olivia Mair

Klinikum rechts der Isar der TU München, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie

„Prospektive Analyse der geschlechterspezifischen Rolle von Steroidhormonlevels im Outcome bei polytraumatisierten Patient*innen“

Geschlechterspezifische Unterschiede rücken in den letzten Jahren immer weiter ins Bewusstsein. Auch in Bezug auf polytraumatisierte Patient*innen gibt es multiple Untersuchungen zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden. Es besteht jedoch weiterhin eine Diskrepanz zwischen „in vivo“ und „in vitro“ Studienergebnissen. Insgesamt ist das weibliche Geschlecht aber mit einer niedrigeren Mortalität und niedrigeren Komplikationsrate assoziiert. Die Ursachen hierfür sind nicht hinreichend geklärt. Eine der wichtigsten und herausragendsten Beobachtungen ist die, dass weibliche Steroidhormone, also Östrogen + Progesteron, einen protektiven Einfluss auf den Organismus nach schwerem Trauma haben.

Die meisten vorliegenden klinischen Studien berücksichtigen aber den tatsächlichen Hormonstatus zum Zeitpunkt des Traumas nicht und auch exogene und endogene Modulatoren, wie zum Beispiel orale Hormonpräparate, der Zyklustag, einschlägige Vorerkrankungen, etc., finden keine Beachtung.

Aufgrund dessen werden wir in unserer klinisch-prospektiven, nicht interventionellen Studie den Hormonstatus zum Zeitpunkt des Traumas genau erfassen, um so die Rolle der Steroidhormone auf das Outcome nach Polytrauma im klinischen Setting zu analysieren. Hierfür sollen die Hormonlevels (LH, FSH, Östrogen, Progesteron, Testosteron) im Schockraum und im kurzfristigen posttraumatischen Verlauf laborchemisch erhoben werden und zusätzlich mögliche endogene und exogene Modulatoren mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens erfasst werden.

Wir hypothetisieren, dass höhere Levels an weiblichen Steroidhormonen zum Zeitpunkt des Traumas und im kurzfristigen posttraumatischen Verlauf sowohl im inter- als auch intrageschlechtlichen Vergleich mit einem besseren Outcome, einer niedrigeren Inzidenz von Endorganschäden und einer niedrigeren Mortalität assoziiert sind.