Johanna Ludwig: Mixed Reality in Australien

Bericht Reisestipendium

Innovation und Weiterbildung sind für mich zwei Schlüsselelemente, die es sinnvoll zu fördern gilt, um unsere Gesundheitsversorgung zukunftsfähig zu machen.

Ich bin Unfallchirurgin am BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, habe einen Master an der Universität Oxford, bin Start-up-Gründerin, Beraterin für Digital Health und engagiere mich ehrenamtlich in der Weiterbildung.

Damit Innovationen durchstarten und erfolgreich sind, brauchen sie einen guten Use Case, einen günstigen Zeitpunkt und den richtigen Ort.

In Australien, einem Land fast so groß wie Europa, aber mit einem Bruchteil der Bevölkerungsdichte, ist die medizinische Notfallversorgung gerade in entlegenen Gebieten eine Herausforderung. Die Mortalität in sehr abgelegenen Gebieten ist mehr als doppelt so hoch wie in den großen Städten. Unfälle sind nach wie vor eine der Hauptursachen für Tod und Behinderung bei Menschen unter 45 Jahren. Auch die Zahl der Unfälle ist in ländlichen Gebieten mit über 4000 pro 100.000 Einwohner mehr als doppelt so hoch wie in Großstädten. Dies verdeutlicht die gravierenden Unterschiede im Zugang zu medizinischer Versorgung und in den Behandlungsergebnissen je nach geografischer Lage.

Herausforderungen wie diese sind erschreckend, bieten aber auch Raum für Chancen und Innovationen – was mich nach Australien geführt hat.

Gerade bei intrakraniellen Blutungen wird der Zeitfaktor deutlich: Es muss schnell geholfen werden. Da in ländlichen Gebieten oft keine neurochirurgische Expertise vorhanden ist, ist die Alternative, den Patienten ausfliegen zu lassen, was meist mehrere Stunden dauert und mit einem schlechten Outcome einhergeht: Ein Use Case, der nach innovativen Versorgungsalternativen schreit. Im Rahmen meines Australienaufenthaltes haben wir als interdisziplinäres Team an der Entwicklung einer Mixed Reality Intervention zur Verbesserung der Traumaversorgung im ländlichen Raum gearbeitet. In Zusammenarbeit mit den ländlichen Kliniken, Dr. Matthew Stovell und Dr. Hamish Alexander (Neurochirurgie), Thorsten Moehle als Experte für Extended Reality und Prof. Michael Schütz als Leiter und Visionär des Jamieson Trauma Institute haben wir von der Bedarfsanalyse bis zur Erprobung und Implementierung eine Mixed Reality entwickelt, die Chirurginnen und Chirurgen in Notfallsituationen helfen soll, nicht mehr die Wahl zu haben, „nichts zu tun", Verunfallte auszufliegen oder sich alleine in unerfahrene chirurgische Gebiete zu wagen, sondern bald eine sichere Anleitung für Notfallsituationen aus der Ferne zu erhalten.

Nun gilt es, weitere Alliterationen durchzuführen und anzupassen, um die Mixed Reality bald in die Anwendung zu bringen. Meine Zeit in Australien hat mir neue Einblicke in andere Denkweisen und Praktiken gegeben, ein beeindruckendes Land, das vorwärts denkt und handelt und weit mehr zu bieten hat als Surfbretter und Kängurus.

Meine persönlichen Worte an den Nachwuchs:

Wenn ihr das nächste Mal im OP steht, denkt daran, dass jede Platte, jedes Instrument, die Möglichkeit Gefäße zu koagulieren, einmal mit einer Person begonnen hat, die eine Idee und ein Ziel hatte. Heute nehmen wir das Ergebnis dieser Idee als selbstverständlich hin, ohne die Hürden, das Engagement und die Widerstände zu sehen, die es auf dem Weg gab. Damit die Chirurgie und die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten in 10 Jahren nicht mehr so aussehen wie heute, liegt es an uns, sie voranzutreiben und zu gestalten.

Dr. med. Johanna Ludwig
Unfallkrankenhaus Berlin
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie
Warenerstraße 7
12683 Berlin